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16.10.2017 Behördenhürden.—

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Bin viel auf hilfe angewiesen. Das hab ich mir nicht ausgesucht.  würde es auch lieber anders haben. Wer kann das nicht verstehen? Es gibt rechte und ansprüche, die geltend gemacht werden dürfen.  Keine ahnung, ob das heute immer noch so ist. bei mir gab es leider niemanden, der anfänglich umfänglich aufgeklärt hätte, was wann wie und wo beantragt werden kann. 

Um sich in diesem juristen- und paragraphendschungel schlicht nicht zu verlaufen, sich zurecht zu finden, brauche ich eine exklusive expertin! ma macht das seit jahren.  Macht sich schlau wie genau wo, was, wann beantragt und in anspruch genommen werden darf. Doch behördenhürden sind hoch. Statt als berechtigter, weil mensch mit behinderung, kommt man sich oft vor wie ein ewiger bittsteller, bitter. kostenträger lehnen ab, das bringt ma auf trab. Sie scheut keinen widerspruch.
Im Herbst lag ein sogenannter folgeantrag, also einer,  der im vorjahr fabelhaft bewilligt wurde, seit mehr als vier monaten beim örtlichen amt. Es geht um die kostenübernahme meiner integrationshelfer. Auf deren arbeit kann ich nicht verzichten, sie sind teil meines teilhabe programms, damit ich teilnehmen kann am gesellschaftlichen leben.  deshalb bezahlt ma sie  im moment tatsächlich aus eigener tasche. Mittlerweile schon mehr als 3000 euro. Denn die integrationshelfer müssen ihre miete monatlich pünktlich bezahlen. Mulmig ist mir, nicht sicher, dass das geld gezahlt wird.
Ein kostenträger wirbt mit dem logo „wir für menschen“. Es entsteht jedoch oft der eindruck, dass diejenigen menschen, die darauf  angewiesen sind, wie ich mit meinen studienassistenten, nicht  steine, vielmehr Felsen in den weg gelegt werden. Ma behält stoisch die ruhe und bedient die kostenträger mit allem, was nötig ist. Unzählige, umfangreiche Unterlagen, ansehnliche vielfalt von Antragsformularen, seitenweise Nachweise, seitenlange selbstauskunft, ärztliche Atteste, beliebte Belege in besonderem Format…Trotz Abitur und Studium zum Ausfüllen zu dumm? Wie ist das gemeint? Was wollen sie wissen? Die Latte liegt hoch!  es entsteht der eindruck, dass   zuständigkeiten wie zufällig zurückgewiesen werden in zeitzehrenden prozessen.
Wichtig ist das aktuelle aktenzeichen, die besondere bearbeitungsnummer, der vorgeschriebene vorgang, es steht nicht der mensch im mittelpunkt. Ein ehrlich ernstgemeintes angebot einmal persönlich vorzusprechen, das anliegen vorzutragen und sich vorzustellen wurde von der sachkundigen sachbearbeiterin dankend, aber engagiert abgelehnt. Ein intensives interesse am individuum besteht bedauerlicherweise nicht!
Ich erinnere eine klasse Kursfahrt der Schule nach Barcelona. Da mir mit ärztlichem attest eine 20 stündige busfahrt nicht zu zumuten war, entschloss sich ma, einen antrag beim amt zu stellen, damit eine integrationshelferin, die mich auf dem flotten flug begleiten sollte , das ticket tadellos erstattet bekam. Der antrag lief, lief länger, dann kam der anruf, mit der rückfrage, ob der transport meines rollstuhls (!) im bus ein problem sei… nein, nein, ein mensch mit behinderung ist nicht automatisch auch rollstuhlfahrer! - so bin ich denn beim amt auch nur eine nummer.  Der zuständige sachbearbeiter kannte meinen „fall“ immerhin fast zehn jahre!
So verwundert es nicht, dass nur relativ wenige menschen mit behinderung den weg abseits der vorgaben gehen, eine regelschule besuchen, studieren oder auch nur im theater zu sehen sind. Der aufwand ist groß, die latte liegt hoch, behördenhürden sich türmen … Oft denke ich, werkstatt wäre wirklich einfacher für alle, die den stempel „behinderung“ tragen! Doch nur für die, die dieses merkmal nicht aufweisen. Je weiter man abweicht von der Norm, umso höher liegt die lästige latte, um so mehr anstrengung, anlauf und ausdauer sind von nöten, sie zu überwinden. Manchmal erst im zweiten oder dritten versuch. Viele verzweifeln, fühlen sich verflixt alleingelassen . Auch ich könnte die Hürden alleine nicht bewältigen. Doch Ma gibt nicht auf , mit sportlichem ehrgeiz  kämpft sie– ja, denn das ganze ist ein kolossaler kampf- nicht für sich, sondern für mich.
Wie schon in der schule, bin ich wohl auch an der fernuni die erste nichtsprechende autistin. Es mögen noch viele folgen und die behördenhürden zukünftig mit kleinen hüpfern zu überwinden sein.

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